Max und der Supermarkt – oder:
Warum Pechpilze Pechpilze bleiben

Es gibt ja bekanntlich solche Begebenheiten, die es eigentlich nicht gibt. Zufälle, Glücksfälle
oder auch einfach ein schon beinahe peinliches Pech.
Alle drei Varianten sind mir bekannt doch besonders letzteres bleibt, wie es der Natur des Menschen entspricht, sich mehr an Schlechtes, als an Gutes zu erinnern, besser im Gedächtnis.
Letzte Woche hatte ich wieder so eine Begebenheit, die es eigentlich nicht geben dürfte, und wenn es nach mir ginge, hätte sie nie stattgefunden. Doch das Loch im Boden, das nie da ist, wenn man es braucht, hat sich auch diesmal, trotz inständigem, stummen Flehen, nicht aufgetan.
Ich war krank, das Übliche, lästiger Husten, Halsweh und obligatorisches Fieber. Während ich also in meinem Bett lag und mich ausgiebig selbst bemitleidete, begann leise mein Magen zu knurren. Erfreut über dieses so offensichtliche Lebenszeichen meines dahinsiechenden Körpers beschloss ich, in einem Akt der Gedankenlosigkeit, einkaufen zu gehen.
Denn alles hatte ich in meinem kleinen, recht hässlichem weißen Vorratsschränkchen, aber keine Nudelsuppe mehr und natürlich weckte allein der Gedanke an so kleine, leckere Buchstaben, die fröhlich auf ihrer Gemüsebrühe treiben und wildfremde Wörter bilden, die mich erheitern würden, meinen Appetit.
Also quälte ich mich aus meinem Bett, zog mit das nächstbeste an, das ich finde konnte (und wie der Leser wohl richtig vermutet war das nicht unbedingt faszinierende und elegante Haute Couture sondern ein buntes Sammelsurium an möglichst praktischen und bequemen und somit unvorteilhaften H&M Klamotten aus der letzten Saison) und schlurfte ins Bad.
Ich sah genauso schrecklich aus, wie ich mich fühlte und kurz wallte Panik in mir auf, mich so in die große Öffentlichkeit unseres kleinen abgeschiedenen Supermarktes zu begeben. Aber dann beruhigte ich mich mit der Aussicht, dass er eben klein und abgeschieden war und noch dazu war es furchtbar früh und zu dieser studentenunfreundlichen Zeit würde niemand, den ich kenne, dort zu finden sein.
Nach einer kurzen - wie es bei uns kinderlieb heißt – Katzenwäsche und einem nochmals prüfendem und resignierten Blick in den feindlich gesonnenen Spiegel beschloss ich, dass das mit der Schönheit und mir heute ohnehin nichts mehr werden würde und mein Getue geradezu lächerlich war.
Entschlossen griff ich mir etwa Geld und verließ schlurfend, schniefend und voller Selbstmitleid meine Wohnung.
Der Weg zum Supermarkt verlief ohne Zwischenfälle und meine Stimmung hob sich. Niemand hatte mich gesehen, obwohl ich mich ironisch fragte, ob mich überhaupt jemand erkennen würde, denn ich fühlte mich wie ein wandelnder Zombie mit akutem Heuschnupfen.
Im Supermarkt angekommen, der prüfende, schnelle Blick, ob ich jemanden kannte, doch kaum jemand war überhaupt schon auf den Beinen und ich schimpfte mich stumm eine eingebildete Kuh, dass mir das überhaupt wichtig war. Alles was zählte, war die gute Buchstabensuppe.
Ich beeilte mich, zu dem Suppenregal zu kommen, schnappte mir meine geliebte Buchstabensuppe und hastete Richtung Kasse. Dabei blieb ich an dem Brotregal hängen. Sollte ich mir eine Breze gönnen? Hatte ich überhaupt Appetit auf so etwas?
Plötzlich ging jemand neben mir in die Knie und griff nach etwas neben mir. Ich blickte hinunter und sah nur einen Haarschopf.
Aber das reichte, denn ich hatte ihn sofort erkannt und wenn ich gekonnt hätte, ich glaube ich wäre davongerannt. Der Impuls war so stark, dass ich mich kaum beherrschen konnte.
Es war (wir nennen ihn (da es ein anonymer Blog bleiben soll und auf die Gefahr hin, dass er ihn lesen sollte und darin sich und noch weitaus schlimmer, mich, erkennt!) der Einfachheit halber Max (heutzutage heißt jeder dritte so, da kann sich niemand angesprochen fühlen!) ) Max, den ich schon seit einem Semester total süß finde, bisher aber kaum gesehen habe.
Panik packte mich und schwungvoll drehte ich mich herum und ging rasch den Gang hinunter. Er folgte mir, das konnte ich über die Schulter erkennen.
Schnell wechselte ich den Gang, doch Max ebenfalls. Ich war mir nicht sicher, ob dass Zufall war und allein bei dem Gedanken, dass er mich erkannt hatte, fiebrig, schniefend, mit Augenringen bis zum Kinn und in allgemein völlig desolaten Zustand, wurde meine Panik schlimmer. Auf keinen Fall durfte ich ihm über den Weg laufen.
Obwohl mir bewusst war, wie kindisch ich war, konnte ich nichts gegen diesen übermächtigen Drang, mich zu verstecken tun, und wechselte hastig in das Regal mit den vielen bunten Gemüsedosen. Zu meinem grenzenlosen Entsetzen er auch.
Er musste mich gesehen haben, oder es war wirklich nur ein völlig unwahrscheinlicher, aber noch möglicher Zufall.
Ich hoffte wider besseren Wissen, dass es letzteres war und hastete weiter das nächste Regal entlang, und wechselte geschickt wie ein hackend schlagender Hase die Gänge.
Als ich mich endlich wieder umzudrehen traute, war Max verschwunden und ich nutzte die Gelegenheit, beinahe zur Kasse zu rennen.
Dort war er nicht zu entdecken und zum ersten Mal an diesem fatalen Morgen hatte ich Glück und kam auch gleich dran. Ohne mich noch einmal umzusehen, verließ ich den Supermarkt mit meiner Beute, die sich plötzlich furchtbar unwichtig anfühlte, und hatte das Gefühl von allen Leuten angestarrt und ob meines Pechs ausgelacht zu werden.
Ich konnte gar nicht schnell genug unter meine Bettdecke kriechen, wo ich mich ausgiebig bemitleidete und noch ausgiebiger das Schicksal, den Zufall, Gott oder den Teufel, einfach alle, verfluchte. Der Appetit war mir vergangen.
Die Ironie an der ganzen Sache ist, ich habe Max bisher erst zweimal im Supermarkt getroffen. Und auch das erste Mal war ich kaum besser: übernächtigt, beinahe in Schlafanzug – Klamotten, völlig überfordert mit der Situation. Damals bin ich ihr nicht so gut entkommen, es kam zu einem kurzen, mir bis heute überaus peinlichen Gestammel meinerseits und höflichen Fragen seinerseits. doch gelernt habe ich aus diesem Fiasko anscheinend nichts, außer besser zu fluchen.

- Goofy